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  Gentleman
 

Gentleman

 


Als Gentleman vor zehn Jahren erstmals nach Jamaika aufbrach, kannte er dort niemanden. Damals war Tilmann Otto, so sein bürgerlicher Name, ein Reggae-Novize, der mal gerade ein paar Hand voll Reggae-Scheiben besaß, die meisten davon aus der Sammlung seines Bruders. Er lernte auf Jamaika das raue Landleben kennen, wo der Lebensstandard im Vergleich zu westlichen Verhältnissen mehr als dürftig ist. Ein paar Jahre später, als der Kultursender Arte eine "Lost In Music"-Folge über Reggae drehte, galt Gentleman bereits als absolute Reggae-Koryphäe. Jamaika ist dem 27-jährigen Musiker nicht nur zur zweiten Heimat geworden, hier hat er sein künstlerisches Lebenselixier gefunden.


 Gentleman ist der Prototyp eines rastlosen Wanderers zwischen den Welten. Die vielen Reisen nach Jamaika, die Deutschlands einzigem Reggaestar von internationalem Format zur lieben Gewohnheit geworden sind, haben ihn unwiderruflich geprägt. Pendelnd zwischen Köln und Kingston, schlagen zwei Herzen in seiner Brust, beide jedoch definitiv im Rhythmus des Reggae. Aus der frühen Begeisterung für Reggae in all seiner farbenprächtigen Vielfalt ist ein natürliches Selbstverständnis und tiefgreifendes Bewusstsein weit über Styles und Sounds hinaus erwachsen.



Hinzu kommt, dass Gentleman seit sieben Jahren mit einer Jamaikanerin liiert ist und mit ihr einen gemeinsamen Sohn hat. Die engen Verbindungen zu Jamaika im professionellen wie im privaten Bereich machen ihn nicht nur zum einflussreichsten deutschen Reggaekünstler, sondern verleihen seiner Musik auch eine über jede Kritik erhabene Authentizität. Unvergesslich bleibt Gentlemans spontaner Auftritt beim Kwanzah-Festival in Kingston vor 30.000 einheimischen Fans. In Deutschland avancierte der Kölner derweil zum Pionier der deutschen Reggae-Szene: Vom Pow Pow Movement und der Digital Diamond Crew (Roger & Shorty) aus Köln über das Silly Walks Soundsystem aus Hamburg bis nach Leipzig und schließlich zum Freundeskreis in Stuttgart führte sein Weg als wohl flexibelster und melodiösester Reggae-Vokalist der Nation. Gentlemans Mitwirkung an "Tabula Rasa" und "Halt an deiner Liebe fest" waren für die hiesige Popularität des Reggae ein kleiner Meilenstein. Und mit der Killin Riddim Section hatte Gentleman zudem über Jahre eine fürwahr mörderische Begleitband im Rücken.



Nach seinem hierzulande in höchsten Tönen gelobten Debütalbum "Trodin On" von 1999, das sich durch eine weite Palette diverser Dancehall-Riddims auszeichnete, legt Gentleman nun das Nachfolgewerk "Journey To Jah" vor. Wenn "Trodin On" ein erstes farbenfrohes Aquarell war, dann ist "Journey To Jah" ein schweres Ölgemälde in den jamaikanischen Traditionsfarben Gelb, Rot und Grün. Der randvoll bepackte Longplayer trägt spürbar der jüngeren Entwicklung des Reggae Rechnung: der Rückbesinnung auf jene Roots, aus denen die besten Werke legendärer Bands wie Aswad und Black Uhuru hervorgegangen sind. "Modern Roots" nennt Gentleman seinen neuen künstlerischen Ansatz, der auch Pop-Harmonien nicht ausschließt wie etwa im wundervoll temperierten Opener "Dem Gone", in "Love Chant" oder "Jah Ina Yuh Life", ausgestattet mit den erhaben säuselnden Chören der Daffodils und einer anbetungswürdigen Melodielinie. Auf die Dynamik von Dancehall-Riddims wird jedoch auch auf diesem Album nicht verzichtet.


 "Leave Us Alone", auf Jamaika produziert von Richie Stephens, sowie "Runaway" und "Long Face", produziert von Ingo vom Pow Pow Movement, respektive Pioneer aus Leipzig, sind ebenbürtige Dancehall-Songs, bei denen jeder Beat wie ein guter Punch sitzt. Hier demonstriert Gentleman, dass sein Spirit geographische Grenzen aufzuheben versteht, woraus sich auch die Homogenität des Longplayers erklärt. Gleichwohl entstand das Gros der Songs für "Journey To Jah" auf Jamaika. Gentleman ist es gelungen, sein Album als munteres Patchwork aus diversen hochkarätigen Musikern und Produzenten zu gestalten. Die Gastauftritte von Jamaikas Superstars wie Bounty Killer, Capleton sowie Luciano & Mikey General zählen zweifellos zu den absoluten Highlights, und bleiben für Gentleman unvergessliche Erlebnisse. Capleton etwa tauchte zum Studiotermin mit einer 30-köpfigen Entourage aus finster dreinblickenden Rastafaris in voller Montur auf. Doch im Studio war Capleton, wie man auf dem knarzig knisternden "Fire Ago Bun Dem" hören kann, voll und ganz bei der Sache. Und Luciano, der seinen Part zu "Younger Generation" unter den Fittichen von Roger & Shorty in Deutschland aufnahm, erwies sich in Kingston als stets unternehmungslustiger Gastgeber für Gentleman, eine schweißtreibende Fußballpartie in der jamaikanischen Mittagshitze inbegriffen.


 Zu den weiteren Gesangspartnern zählen Jungstars wie Jahmali und Daddy Rings, mit dem Gentleman in Kürze auf Tournee gehen wird, sowie Junior Kelly, Jack Radics und der Familienclan von Morgan Heritage.
Aber nicht nur an den Mikros herrschte rege Betriebsamkeit, auch hinter den Reglern saßen ausschließlich absolute Cracks. Kein Geringerer als Altmeister Dean Frazer übernahm die maßgeblichen Arrangements im legendären Tuff Gong Studio, der ehemaligen Wirkungsstätte von Bob Marley. Und mit Black Scorpio und Bobby Digital konnte Gentleman zwei der derzeit angesagtesten Produzenten gewinnen. Bobby "Digital" Dixon, profiliertester Schüler des Produzentengenies King Jammy, ist Spezialist für digital produzierten Dancehall-Sound, aber die für Gentleman produzierten Songs klingen alles andere als klinisch. Das liegt vor allem an der Beteiligung diverser Bands: der Firehouse Crew (ehemalige Begleitband von Luciano), Morgan Heritage sowie Mafia & Fluxy, denn auf Bandsound hat Gentleman diesmal besonders viel Wert gelegt: "Ich hab das Gefühl, dass Musiker wieder gefragt sind. Die digitalen Maschinen wird es immer geben, aber momentan baut sich wieder ein Bewusstsein für Live-Bands auf. Das ist auch voll mein Ding. Ich steh zwar auch auf die Hardcore-Sachen, aber ich merke, die kann ich nicht lange hören - ganz zu schweigen von den Inhalten."



Eine Anspielung auf die gängigen Sexismen und Gewaltverherrlichungen, die Gentleman strikt ablehnt. Seine Songs konzentrieren sich auf ein großes Thema: die Suche nach Gott. "Mir geht es einfach um eine Lebenseinstellung, die ich versuche zu prägen, aufrechtzuerhalten und weiterzugeben. Mein Ziel ist, einen Zustand, den ich phasenweise mal hatte, auch permanent zu erlangen. Dieser Zustand ist eine Art Verbundenheit mit Gott." Deswegen ist Gentleman noch lange nicht zum Rastafari-Glauben übergetreten, er ist auch kein Dogmatiker: Seine Suche nach Jah bewegt sich konsequent jenseits tradierter Konfessionen. Die Landessprache Patois, ein aus Englisch, Spanisch und afrikanischen Einflüssen bestehender Slang, ist Gentleman in Fleisch und Blut übergegangen - und bei jamaikanischen Musikern hat ihm gerade der mühelose Umgang mit ihrer Sprache viel Respekt eingebracht. Seine Lyrics kreisen um die zentralen Begriffe aus der Tradition des Reggae: Consciousness, Righteousness und Resistance. Auch wenn seine Songs nicht explizit politisch sind, vertritt der junge Vater den Moral- und Wertekodex eines friedlichen Miteinanders - die Zukunft positiv zu gestalten, das ist die selbstgestellte Aufgabe, wie sie in "Younger Generation" und "Children Of Tomorrow" manifestiert ist.



Gentleman hat auf seiner "Journey To Jah" seine Kreise wieder ein wenig weiter gezogen. So gut wie in diesen Tagen war das Netzwerk zwischen jamaikanischen und deutschen Musikern noch nie gespannt: Nicht selten sind jamaikanische Musiker zu Gast in deutschen Studios, spielen auf diversen Festivals unserer Region oder besuchen Gentleman einfach nur mal so. Kein Wunder, dass Gentleman hierzulande als Botschafter des Reggae gilt. Dabei gefällt dem Grenzgänger, dessen Songs auch auf kleinen jamaikanischen Labels auf Vinyl erscheinen und dort regelmäßig im Radio laufen, besonders die Freibeutermentalität in der Heimat seines Herzens. Auf Jamaika machen Musiker schneller Schlagzeilen als Politiker. Und mit "Jouney To Jah" hat sich Gentleman die eine oder andere Schlagzeile redlich verdient - nicht nur auf Jamaika.




 
 
  © 2007 by King-Roots.
 
 




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